Verkannte Genies: Fanny Mendelssohn: Von Beruf Schwester

https://www.zeit.de/2015/02/fanny-hensel-felix-mendelssohn-schwester

Die Beraterin: Ohne die Komponistin Fanny Hensel ist auch ihr Bruder Felix Mendelssohn gar nicht denkbar.

Von Christine Lemke-Matwey

8. Januar 2015

DIE ZEIT Nr. 2/2015,

8. Januar 20151 Kommentar

Heute, in Zeiten von Neofeminismus und gesteigerter Gender-Theorie, klängen Worte wie diese unfassbar lächerlich – im frühen 19. Jahrhundert aber gehörten sie zum guten Ton. „Du musst Dich mehr zusammennehmen, mehr sammeln“, schreibt Abraham Mendelssohn 1828 an seine Tochter Fanny, „Du musst Dich ernster und emsiger zu Deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden.“ Fanny ist 23 Jahre alt, als sie diesen Brief erhält, und nicht nur weil dies nicht die erste väterliche Ermahnung ist, weiß sie ihn wohl zu lesen. Es hat alles nichts genützt, steht da zwischen den Zeilen geschrieben, kein Fleiß, keine Zornesausbrüche, kein noch so hart errungenes Zeugnis ihrer musikalischen Hochbegabung. Das Geschlecht wird Fannys Schicksal bleiben, jene „elende Weibsnatur“, die man „auf jeden Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt“, wie sie klagt, und die sich nicht abschütteln lässt wie ein räudiger Hund.

 

Quelle: Zeit Online, URL: https://www.zeit.de/2015/02/fanny-hensel-felix-mendelssohn-schwester, 02.12.2019.